Während der dreitägigen Kunstreise 2020 entdecken wir die «vie culturelle» von Lausanne und Genf. Zuerst führt uns eine «promenade digestive» nach dem gemeinsamen Mittagessen zum Musée Cantonal des Beaux-Arts (MCBA)
in Lausanne. Das imposante, aus grauen Backsteinen errichtete Gebäude befindet sich auf dem alten Bahnhofgelände. In der Eingangshalle des MCBA begrüsst uns ein faszinierender Baum: Luce e ombra (2011) von Giuseppe Penone (*1947 Garessio). Roland Wäspe, Direktor des Kunstmuseums St.Gallen, führt uns durch die Sammlung. Im ersten Stock besichtigen wir die Werke von Schweizer sowie ausländischen Kunstschaffenden, die in der Schweiz arbeiteten. Wir verweilen vor dem imposanten Gemälde von Ernest Biéler (Rolle 1863–1948 Lausanne) L’Eau mystérieuse aus dem Jahr 1911.
Am zweiten Tag unserer Reise besichtigen wir das Musée d’art moderne et contemporain (MAMCO) in Genf. Nach einer herzlichen Begrüssung durch Direktor Lionel Bovier und Kurator Paul Bernard begeben wir uns mit der Kunstvermittlerin Sonia Chanel auf eine lange, spannende und überaus unterhaltsame Führung «en français» durch die Ausstellung von Olivier Mosset (*1944 Bern). Wir sehen klare, abstrakte, grosse Werke und monochrome, präzise aufgebaute Bilder mit geometrischen Strukturen.
Gleich gegenüber dem Museum erwartet uns Pierre-Henri Jaccaud in seiner Galerie Skopia. Er empfängt uns herzlichst und führt uns in seine Werke ein. Wir sehen kleine bis sehr grosse Schwarzweiss-Fotografien von Alain Huck (*1957 Vevey), die mich an einen Urwald («sous-bois») erinnern – ein Spiel von dicken und dünnen Ästen. Im nächsten Raum hängen 20 Jute-Säcke, die ursprünglich im Zusammenhang mit Kaffeehandel verwendet wurden. Sie sind beschriftet mit kritischen Texten oder nur Sätzen wie zum Beispiel: «IL NE S’APERCOIT DE RIEN, IL DORT».
Spätnachmittags fahren wir zum Château de Prangins Schweizerisches Nationalmuseum in Prangins, das 1730 erbaut wurde. Seit 1975 ist das Schloss im Besitz der Schweizerischen Eidgenossenschaft und seit 1998 als Museum öffentlich zugänglich. Das Thema der Ausstellung: «Liebe und Sexualität im 18. Jahrhundert».
Am letzten Tag besichtigen wir die Fondation de l’Hermitage in Lausanne und die Ausstellung Arts et Cinéma, die wir dank einer aufschlussreichen Führung durch Roland Wäspe geniessen dürfen. Er erläutert uns die sehr nahen Beziehungen zwischen Malerei, Skulptur, Fotografie und der revolutionärsten «art visuel» des 20. Jahrhunderts: dem Film.
Als Abschluss unserer Kurzreise besuchen wir das Atelier von Silvie Defraoui, das sich in einem sehr heimeligen, älteren «maison dans les vignobles» in Vufflens-le-Château befindet, wo uns die Künstlerin wärmstens empfängt.
Das kurze «Unterwegs-Sein» mit dem Kunstverein St. Gallen war eine aufbauende, willkommene Abwechslung in diesem sehr speziellen Jahr, das langfristige Planung eher unmöglich zu machen schien. Es war eine sehr bereichernde Erfahrung – «grands mercis» an den Kunstverein!
Bericht: Madeleine Ludwig de Wolff, Teilnehmerin an der Kunstreise 2020 und Kunstvereinsmitglied
Fotos: Ruth Baumgartner, Kunstvereinsmitglied