Kunstgespräch

Das St.Galler Grafikdesignstudio Kasper-Florio wurde 2013 von Larissa Kasper und Rosario Florio gegründet. Zusammen mit Samuel Bänziger und Olivier Hug entwickelten sie Jungle Books, einen unabhängigen Verlag, der auf zeitgenössische visuelle Kunst spezialisiert ist. Jungle Books konzentriert sich auf Schweizer Kunst und Architektur sowie auf die Vermittlung von Wissen rund um diese Themen. In enger Zusammenarbeit mit Kunstschaffenden, Designer*innen, Autor*innen und weiteren Verlagen schaffen sie neue Publikationen.

Wie kam es zu der Gründung des Verlags Jungle Books und zu eurer ersten Publikation? War für euch der Fokus auf Schweizer Kunst und Architektur von Anfang an gesetzt?

Bücher waren für uns schon früh ein Medium, das uns konzeptionell wie auch in seinen formalen Möglichkeiten interessierte. Wir sammelten Bücher, studierten und analysierten ihre inhaltlichen und kinetischen Eigenheiten und engagierten uns als Gestalter*innen in ersten Buchprojekten für andere Verlage. Bei diesen Projekten sind die meisten Inhalte und manchmal auch erste redaktionelle Entscheidungen bereits getroffen worden. Es gilt dann also ein Konzept zu entwickeln, Format und Materialität zu definieren und die gestalterische Komponente des Buches zu interpretieren. Mit der Zeit stellten wir uns die Frage, was wäre, wenn wir bereits weiter «vorne» involviert wären. Als Buchgestalter*innen machen wir uns Gedanken über die ästhetischen, strukturellen und funktionalen Aspekte eines Buches. Aber die Rolle des Designs beinhaltet immer auch eine Verantwortung für den Inhalt. Uns interessierte der direkte Diskurs mit Künstler*innen, die Entstehung von Ideen, die sich aus gemeinsamen Gesprächen und Beobachtungen bilden. Wir begannen, auf Künstler*innen zuzugehen, deren Arbeit wir faszinierend und spannend fanden, um eine mögliche Übersetzung in das Medium Buch zu finden. So einen materiellen Raum für eine persönliche und fast intime Faszination zu schaffen, war unsere Motivation, einen Verlag zu gründen. Das war 2015. Und parallel ergab sich die Arbeit an einem Buch, das noch keinen Verlag hatte. Salome Hohl und Linda Lämmle kuratierten zu der Zeit eine Ausstellung im Offspace -ion+ und nach einem kurzen Gespräch nutzten wir die Gelegenheit, um daraus unsere erste Jungle Books Publikation zu machen. Uns war vor diesem Zeitpunkt auch schon klar, dass wir den Fokus auf zeitgenössische Kunst setzen möchten. Architektur ist ein angrenzendes Feld, das uns ebenfalls interessiert und wofür wir oft Bücher, vor allem für andere Verlage, wie Park Books oder Triest Verlag, gestalten.

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Katalin Deér – Verde.

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Michael Bodenmann – Resarch for Love Peace Warrior Dragon.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit des Verlags mit den Kunstschaffenden und wie kommen die Publikationen zustande?

Mit der Gründung von Jungle Books wollten wir eine Plattform für Künstler*innen schaffen. Gleichzeitig ist es auch eine Art Laboratorium für uns als Buchgestalter*innen. Mit diesen Intentionen sind wir auch auf Künstler*innen zugegangen. Es kann sein, dass uns spezifische Arbeiten oder generell eine Kunstpraxis interessiert, woraufhin wir bei einem Atelierbesuch das Gespräch suchen. Dabei wissen wir und meistens auch die Künstler*innen noch gar nicht, was für ein Buch daraus entstehen wird. Im Diskurs kommen Fragen auf oder es entstehen Impulse, die zu Ideen führen. Wir möchten mit Jungle Books das Medium Buch hinterfragen und vor allem die Künstler*innen mit dieser Frage konfrontieren. Das Künstler*innenbuch ist seit langer Zeit Bestandteil des künstlerischen Schaffens. Es erlaubt genau solche Fragen und erweitert die Praxis in ein zwar bekanntes, aber immer noch zu erforschendes Medium. Das ist auch der Grund, weshalb wir vor allem am Künstler*innenbuch interessiert sind, das auch uns in der Konzeption und Gestaltung herausfordert, Konventionen aufbricht und in vielen Fällen sogar eigenständige Werke entstehen lässt.

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Im Atelier von Katalin Deér

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Im Atelier von Jürgen Beck.

Gibt es Beispiele von Kooperationen, die euch beide überrascht oder Jungle Books gar nachhaltig beeinflusst haben?

Wir versuchen jedes Buchprojekt mit der höchstmöglichen Sensibilität anzugehen. Jede Praxis, jede Absicht oder jedes konzeptuelle Denken ist anders und führt in der Regel zu einer überraschenden Kooperation. Deshalb würden wir sagen, dass bisher jede dieser Zusammenarbeiten Jungle Books nachhaltig beeinflusst hat. Die vielen inspirierenden Gespräche sind letzten Endes nicht nur beruflich, sondern auch persönlich bereichernd. Kunst, Fiktion und Utopien verschieben oder schaffen für uns wichtige Werte, ob ethisch oder moralisch. Eine wichtige Komponente dieser Zusammenarbeit ist aber auch die Tatsache, dass viele Freundschaften daraus entstanden sind.

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Booklaunch von Rahel Kraft – Paradoxical Creatures, mit einer Performance von Rahel Kraft und Urban Lienert in der Shedhalle Frauenfeld.

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Booklaunch von Matthias Gabi – Shot on iPhone, 2009–2017 im Kunsthaus Langenthal.

St.Gallen – auch bekannt als «Buchstadt» – hat eine lange Buchtradition, die mit der Gründungsgeschichte des Stiftsbezirks und Klosters einhergeht. Auch hat die ehemalige St.Galler Erker-Galerie in transdisziplinären Kooperationen mit Kunstschaffenden, Literat*innen sowie Philosoph*innen sogenannte Bibliophile Bücher herausgebracht. Das Prinzip der transdisziplinären Kooperationen und des Schaffens neuer Werke im Prozess sind auch hier gegeben.

War die Verlagstätigkeit der damaligen Galerie und diese Art des prozesshaften Publizierens für euch eine Inspirationsquelle?

Die Erker-Galerie war uns natürlich bekannt, gleichzeitig hatten wir damals nur Zugang zu vereinzelten Publikationen und waren uns über die lange Verlagstätigkeit noch gar nicht bewusst. Als wir vor einigen Jahren zum ersten Mal ­– während der St.Galler Buchmesse Good Life Books im Kunstmuseum St.Gallen – eine Grosszahl der Bücher sehen durften, waren wir überwältigt. Unser geografisches Umfeld in St.Gallen als «Buchstadt» mit der Stiftsbibliothek, dem Zentrum für das Buch und der dynamischen Ordnung der Kunstbibliothek Sitterwerk hat uns sicherlich mitgeprägt. Insbesondere hat uns auch Georg Rutishauser und sein Verlag edition fink inspiriert, der uns zur Gründung motiviert hat und uns mit erfahrenem Rat zur Seite stand. Mit ihm und den Verlagen tria publishing platform (Zürich) und Boabooks (Genf) bilden wir auch die Plattform Fair Enough und besuchen zusammen diverse Buchmessen auf der ganzen Welt.

An welchen Projekten und Publikationen seid ihr als Jungle Books Verlag gerade dran?

Soeben ist die Publikation Infinity von Beatrice Dörig erschienen. Nun arbeiten wir, zusammen mit Nadia Veronese und dem Kunstmuseum St.Gallen, am Buch für Martina Morger zum Manor Kunstpreis. Für die Kulturstiftung des Kantons Thurgau wird im März das nächste Facetten mit Karin Schwarzbek erscheinen. Von Juri Roemmel und Henry Rausch erscheint im März das Buch The Loss of Information and Sense. Ein zweites Buch mit Jiajia Zhang und dem Ausstellungsraum Coalmine in Winterthur mit Annette Amberg erscheint im Mai und das Buch von Peter Radelfinger Aah…Aha! im August. Einzelne Projekte für die zweite Hälfte dieses Jahres und 2023 stecken erst in den Startlöchern.

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Druckplatte für das Buch Infinity von Beatrice Dörig in der Druckerei Ostschweiz.

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Jiajia Zhang beim Editieren von From…To… von Jiří Makovec.

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Beim Editieren von From…To… von Jiří Makovec.

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Druck von Valentina Stieger – Streamlined for Dispatch.

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Valentina Stieger – Streamlined for Dispatch, Booklaunch in der Kunsthalle Basel.

Interview vom 1. März 2022: Gloria Weiss und Sophie Lichtenstern, Kunstverein und Kunstmuseum St.Gallen

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