Interview

Die in Berlin lebende Künstlerin Bettina Pousttchi (*1971 Mainz) arbeitet vorwiegend in den Medien der Skulptur und Fotografie. Sie wurde durch ihre grossformatigen fotografischen Arbeiten an Gebäuden im öffentlichen Raum bekannt (Panorama 2019, The City 2014, Echo 2009/2010). Im Rahmen des 200 Jahre-Jubiläums lud das Konzerthaus Berlin die Künstlerin für eine ortsspezifische Installation an der Hauptfassade dieses historischen Bauwerks ein. Die Arbeit lädt die Besuchenden dazu ein, einen neuen Blick auf das Gebäude zu werfen und ihre eigene Wahrnehmung zu hinterfragen. Die Installation Amplifier ist noch bis 18. Juli 2021 zu sehen.

Pousttchi hat 2018 in St.Gallen mit der Ausstellung Protection ein Setting aus neuen Arbeiten für die Kunstzone in der Lokremise entwickelt. In enger Zusammenarbeit zwischen dem Kinok, Cinema in der Lokremise, dem Theater St.Gallen und dem Kunstmuseum St.Gallen entstand daraus ein einzigartiges Projekt für einen aussergewöhnlichen Ort.

Drei Jahre nach Protection lässt die Künstlerin die Ausstellung an einem besonderen Ort wie der Lokremise Revue passieren und erzählt von neuen Installationen sowie aktuellen Arbeiten.

Wie hast du die Ausstellung von 2018 in der Kunstzone und insbesondere die spartenübergreifende Kooperation in der Lokremise in Erinnerung? Was waren damals deine Highlights?

Bettina Pousttchi: Das Ausstellungsprojekt in der Lokremise war eine aussergewöhnliche Erfahrung, da es eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Kunst, Theater und Kino war. Die enge Kooperation mit Choreografinnen und Choreografen, die sich auf meine Skulpturen eingelassen haben, war insbesondere sehr spannend. Die Reaktion der Tänzerinnen und Tänzer auf meine Skulpturen – die so Tanz und Installation verbanden – erweiterte mein Nachdenken in Bezug auf den Einfluss von Objekten im Stadtraum auf den menschlichen Körper.

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Bettina Pousttchi, Protection, Installationsansicht Kunstzone in der Lokremise St.Gallen, Foto: Sebastian Stadler

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Die Präsentation Protection von Bettina Pousttchi in der Kunstzone bot das Setting für das Stück Lugano Paradiso oder So schön wie dieses Jahr hat der Flieder lange nicht geblüht. Geschrieben von Andreas Sauter, Regie von Jonas Knecht. Foto: Theater St.Gallen/Iko Freese.

Aktuell ist eine Installation von dir an der Hauptfassade des Konzerthauses Berlin zu sehen. Wie kam es zu diesem Projekt und weshalb hast du dich anlässlich des 200-Jahre-Jubiläums für diese Art von Installation entschieden?

BP: Das Konzerthaus Berlin kontaktierte mich im Februar 2021, weil die Leitung Interesse an einem Kunstwerk für die Hauptfassade hatte, um das 200-jährige Jubiläum des Schinkel-Baus zu feiern. Ich war ihnen als Künstlerin, die in diesem Bereich seit vielen Jahren arbeitet und zahlreiche Projekte realisiert hat, empfohlen worden. Wir begannen einen Dialog über die Möglichkeiten, die sich auf dem denkmalgeschützten Gebäude bieten. Die in der Folge entstandene Installation Amplifier lässt sich auf den Bau ein, sowohl auf die Architektur von Karl Friedrich Schinkel, die sehr bewegte 200-jährige Geschichte des Gebäudes wie auch das urbane Umfeld des Gendarmenmarktes.

Amplifier

Bettina Pousttchi, Amplifier, Installationsansicht, Konzerthaus Berlin, 2021. Foto: Jens Ziehe

2021 erschien die Publikation In Recent Years. Die darauf basierende Ausstellung in der Berlinischen Galerie wurde bis August 2020 verlängert. Wie hast du den Aufbau einer Ausstellung und die Zusammenarbeit für die Publikation in besonderen Zeiten wie diesen erlebt?

BP: Die Ausstellung eröffnete im September 2019 während der Berlin Art Week und sollte bis April 2020 laufen. Aufgrund des ersten Lockdown musste sie vorzeitig geschlossen werden. Die Berlinische Galerie entschied sich dann jedoch nach Wiedereröffnung der Berliner Museen, die Ausstellung um drei Monate zu verlängern. So konnte auch die Publikation noch während der Laufzeit präsentiert werden. Das Buch zeigt viele Installationsaufnahmen der Berliner Ausstellung und darüber hinaus auch zahlreiche andere neue Arbeiten und Installationen der letzten Jahre, wie zum Beispiel die Ausstellung in der Lokremise in St.Gallen 2018.

In Recent Years Publikation

Bettina Pousttchi
In Recent Years
Herausgegeben von: Berlinische Galerie, Museum of Modern Art
Verlag: König Books London
Autor*innen: Jörg Heiser, Melissa Ho, Thomas Köhler, Jeremy Strick
Deutsch/Englisch
264 Seiten, 12 schwarz-weiß/132 farbige Abbildungen
ISBN Museumsausgabe: 978-3-940208-62-0
ISBN Buchhandelsausgabe: 978-3-96098-819-9

Unter anderem erhältlich im Kunstmuseum St.Gallen.

In Recent Years Publikation 1

World Trade, 2018, Installationsansichten Kunstzone in der Lokremise. Aus der Publikation Bettina Pousttchi – In Recent Years.

Woran arbeitest du gerade – was sind aktuell deine Schwerpunkte und auf welche Themen fokussierst du dich?

BP: Neben mehreren neuen Ausstellungsprojekten werde ich im Herbst nach New York reisen um einen Vortrag am Dia Center for the Arts zu halten. Das Dia Center hat mich noch vor der Pandemie zu seiner Artists on Artists Lectures Serie eingeladen. Ich werde über die Date Paintings von On Kawara sprechen in Bezug zu meiner Fotoserie der World Time Clock, insbesondere in Hinsicht auf die Frage von Zeitlichkeit. Parallel dazu wird eine Publikation mit meinem Text und weiteren Beiträgen zu On Kawara im Herbst 2021 erscheinen, herausgegeben vom Dia Center for the Arts.

Interview: Sophie Lichtenstern und Gloria Weiss, Kunstmuseum und Kunstverein St.Gallen

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