Interview
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Foto: Reto Müller

Seit einem Jahr ist die Zusammenarbeit zwischen dem Kunstmuseum und dem Schauspiel des Theaters St.Gallen für die Ausstellung Città irreale in Vorbereitung. Der ursprüngliche Plan war es, die teilweise begehbaren Installationen der gleichnamigen Ausstellung in der Kunstzone der Lokremise live zu bespielen. Aufgrund des Lockdowns in mehreren Stufen schien uns die Realisierung dieses Projektes bei den geltenden Abstandsregelungen nicht möglich. So beschlossen wir, kurz vor Probenstart, unser Konzept völlig umzustellen und statt des Live-Spiels einen Audiowalk mit dreidimensionaler Aufnahmetechnik zu konzipieren. Über die Eindrücke der ersten Leseprobe im Januar und eines Probenganges mit Kopfhörern durch die noch geschlossene Ausstellung sprach Julie Paucker mit der Kuratorin und Leiterin des Kunstvereines Nadia Veronese.

Nadia Veronese Ralph Ribi

Nadia Veronese. Foto: Ralph Ribi

Was hat dir während des Museums-Lockdowns am meisten gefehlt?

Nadia Veronese: Während der Schliessung des Kunstmuseums hat mir der persönliche Austausch mit Besuchenden, Kunstschaffenden und Fachkolleg*innen gefehlt. Eine Ausstellung aufzubauen und danach nicht feierlich zu eröffnen, fand ich trist. Unmittelbare Diskussionen in der Ausstellung und Resonanz sind ausgeblieben. Aber auch Ausstellungen in Museen in anderen Städten zu besuchen, fehlte mir sehr…

Wie kamt ihr auf den Titel Città irreale für die aktuelle Ausstellung?

NV: Die Ausstellungsidee reifte im Hinblick auf das 10-Jahr-Jubiläum der Lokremise. Wir wollten bedeutende Werke aus der Sammlung des Kunstmuseums St.Gallen zeigen. Die «gestrandete» Swissair-Kabine des Künstlers Bob Gramsma gab den Ausgangspunkt für ein irreales Setting in einer ungewöhnlichen Zeit – città irreale. In der Kooperation mit dem Theater sollten diese raumgreifenden Installationen zur «Bühne» werden.

Du warst an der ersten Leseprobe zu unserem Audiowalk für die Ausstellung Città irreale, es gab Gespräche im Vorfeld, als die Texte noch im Entstehen waren. War die Probe dann so, wie du es dir vorgestellt hast?

NV: Ich fand es eindrücklich, wie die Autorinnen – also Maria Ursprung und du – die Kunstwerke mit neuen Geschichten und Erzählungen belebt und gefüllt haben. Die Kunstwerke haben euch zu Überlegungen zur Jetztzeit angeregt und auch dazu inspiriert, auf dem Parcours ein weiteres «Werk» in die Ausstellung einzuschleusen. Den Schauspielern zuzuhören, wie sie sich eine neue Rolle aneignen und die Texte (stimmlich) interpretieren, war ein erstaunlicher Moment für mich.

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Foto: Reto Müller

Was ging dir beim Zuhören durch den Kopf?

NV: Mir gefiel besonders, wie an der Sprache, der Aussprache gefeilt wurde, um eine Stimmung klanglich perfekt auszudrücken.

Du durftest den Audiowalk schon im Februar machen, als erster Ehrengast, als die Ausstellung noch im Lockdown war – wie ging es dir damit?

NV: Der Audioparcours ist ein intensives Mäandrieren durch die Ausstellung. Durch die ausgeklügelte Aufnahmetechnik mit sogenanntem «Kunstkopf» und den überraschenden Soundinputs von Albrecht Ziepert wird man sofort gefangen und kann unmittelbar in Geschichten und ausgestellte Kunstwerke eintauchen.

Was waren deine Assoziationen?

NV: Mir gefiel die «Ansicht von Draussen» - einer Ansicht von städtischem Leben, das wir zu kennen meinen, aber aus diesem Blickwinkel nie beobachtet und bewusst wahrgenommen haben.

Entsprach das Hörerlebnis deinen Erwartungen von der Leseprobe?

NV: Das Hörerlebnis war intensiver und vielschichtiger. Sich mit den Geschichten in den Kunstwerken zu bewegen und aufzuhalten, den Stimmen zu lauschen und einem Gespräch zu folgen, ist ein eindrucksvolles Erleben. In Sara Masügers geborgenem Tunnel über den Tod zu sinnieren oder in der Dunkelheit des Containers von Jessica Stockholder sich mit Werbebotschaften für Kühlzellen/Kühlsysteme berieseln zu lassen, liess mich erschaudern…

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Foto: Reto Müller

Città irreale ist ein Zusammenspiel von bildender und darstellender Kunst – siehst du darin ein Potential, und wie würdest du es beschreiben?

NV: Die Verschränkung beider Künste sollte unbedingt weitergeführt werden. Ihr Zusammenspiel veranschaulicht ungewohnte Herangehensweisen und eröffnet andere Welten, sie macht aus dem passiven Betrachter einen aktiven Besuchenden.

Die Ausstellung Città irreale ist vom 6. Februar – 8. August 2021 in der Kunstzone in der Lokremise St.Gallen zu sehen.

Zur Ausstellungsseite Città irreale


Interview: Julie Paucker | UM!SCHAU März 2021

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